Redaktion - Mittwoch, 4. Juni 2025, 15:30 Uhr.
Eine von dem Münchner Priester Wolfgang F. Rothe initiierte Petition an Papst Leo XIV. fordert die Absetzung des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki und hat mittlerweile über 55.000 Unterschriften gesammelt. Die am 26. Mai 2025 auf der Online-Plattform change.org gestartete Initiative bezieht sich auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Kardinal, die gegen Zahlung einer Geldauflage von 26.000 Euro eingestellt wurden.
So heißt es darin: „Kardinal Woelki ist vor diesem Hintergrund moralisch vollständig korrumpiert. Er hat jede Glaubwürdigkeit verloren, und zwar in der Öffentlichkeit ebenso wie innerhalb der Erzdiözese Köln und der katholischen Kirche in Deutschland.“
Weiter schreiben die Unterzeichner: „Verantwortliche in Politik und Gesellschaft wollen nicht mit ihm zusammen gesehen, Pfarrgemeinden nicht von ihm besucht, Firmbewerberinnen und -bewerber nicht von ihm gefirmt werden.“ Der Kardinal sei ein „Hirt ohne Herde“, das Erzbistum Köln „eine Herde ohne Hirten“.
Die rechtliche Grundlage für eine kirchenrechtliche Anzeige sehen die Autoren der Eingabe unter anderem in zwei apostolischen Schreiben. In Bezug auf Come una madre amorevole und Vos estis lux mundi verweisen sie auf die Vorschriften, wonach die Verletzung von Sorgfaltspflichten im Umgang mit sexuellem Missbrauch durch kirchliche Verantwortungsträger disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen kann.
Zudem sei laut can. 1399 des kirchlichen Gesetzbuchs bei schwerem Ärgernis in der Öffentlichkeit ebenfalls eine Sanktion vorgesehen. Die Unterzeichner führen dazu aus: „Insofern sich dies vor den Augen der Öffentlichkeit ereignet hat, ist zudem schweres Ärgernis entstanden.“
Abschließend wenden sich die Autoren in einem Appell direkt an den neuen Papst Leo XIV.: „In Anbetracht dessen bitten wir Sie, Heiliger Vater, inständig darum, die Erzdiözese Köln und die katholische Kirche in Deutschland baldmöglichst von der enormen Belastung zu befreien, die die Person und das Verhalten von Kardinal Woelki darstellen.“
Scharfe Kritik
Riccardo Wagner, Professor für Nachhaltiges Management und Kommunikation und Leiter der Media School an der Fresenius Hochschule Köln, kritisierte die Petition in einem Interview mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ scharf.
Er sieht in der Wirkung solcher Kampagnen ein grundlegendes Problem: „Die Plattform und auch die Petition tun so, als ließen sich sakramentale Ämter per digitalem Stimmungsbild legitimieren oder delegitimieren – das widerspricht dem Wesen der Kirche grundlegend, weshalb diese Vorgehensweise und Mittel klar abzulehnen sind.“
Es gehe nicht um eine einmalige Reaktion auf einen kirchlichen Vorgang, sondern um eine langfristige Strategie, die auf gezielte Delegitimation ziele. „Die Initiatoren um Herrn Pfarrer Rothe führen seit Jahren einen kommunikativen Feldzug gegen verschiedene Würdenträger und auch gegen Kardinal Woelki“, erklärte Wagner.
„Herr Rothe selbst, zu dessen Person sich jeder selbst informieren sollte, zeigt dabei immer wieder, dass er sich mit einer weltkirchlichen Perspektive und auch mit der Verfasstheit und Lehre der katholischen Kirche ganz grundsätzlich etwas schwertut“, so Wagner.
Der Petitionsinitiator Wolfgang F. Rothe
Rothe, der Petitionsintitator, begann seine Laufbahn in eher konservativen Strukturen, entwickelte sich aber nach seinem Coming-out als homosexueller Priester zum scharfen Kritiker kirchlicher Strukturen. Er bezeichnete zudem den Zölibat als „Risikofaktor für sexuellen Missbrauch“.
Wer zum Zölibat verpflichtet sei, obwohl er ganz normale sexuelle Empfindungen habe und diese eigentlich auch gerne ausleben würde, erlebe eine starke Spannung. Als Mitinitiator der „#OutInChurch“-Bewegung und Queerseelsorger des Erzbistums München und Freising setzt er sich für die Segnung homosexueller Paare ein.
Hintergründe der Ermittlungen gegen Woelki
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelte seit Herbst 2022 gegen Kardinal Woelki wegen möglicher Falschaussage zu seinem Wissen über Missbrauchsvorwürfe. Im Sommer 2023 wurden seine Wohnung und seine Amtsräume durchsucht.
Im Fokus standen zwei Fälle, darunter der von Winfried Pilz, zu dem Woelki angab, erst 2022 informiert worden zu sein. Chatverläufe zeigten jedoch, dass er sich bereits 2019 damit befasst hatte. Auch eine Beförderung eines beschuldigten Priesters wurde untersucht.
Allerdings habe der Kardinal diese Aussagen nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig getätigt. Chatnachrichten hätten belegt, dass er sich selbst unsicher gewesen sei und dann „aufs Geratewohl“ behauptet habe, erstmals im Juni 2022 mit dem Fall befasst gewesen zu sein.
Für die Entscheidung, von einer Anklage abzusehen, waren laut Staatsanwaltschaft mehrere Faktoren ausschlaggebend: Woelki sei strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten, habe als juristischer Laie gehandelt und sei fachanwaltlich beraten worden. Zudem sei die Unrichtigkeit seiner Angaben für den Ausgang der Presseverfahren nicht entscheidungserheblich gewesen, wie CNA Deutsch ausführlich berichtete.
Im Jahr 2021 hatte der mittlerweile verstorbene Papst Franziskus Woelki in eine mehrmonatige Auszeit geschickt, die im März 2022 endete. Der Papst hatte damals auch eine Apostolische Visitation, also eine offizielle Überprüfung, für das Erzbistum angeordnet, bei der zwei Bischöfe aus dem Ausland die Lage vor Ort untersuchten.
Allerdings fand der Vatikan keine Hinweise auf rechtswidriges Verhalten Woelkis. Er lobte dessen Aufklärungswillen, kritisierte jedoch gravierende Kommunikationsfehler, die eine Vertrauenskrise im Erzbistum ausgelöst hatten.
Trotz offizieller Entlastung sah sich Woelki weiterhin massiver Kritik ausgesetzt – von Medien, kirchlichen Gruppen und einzelnen Bischöfen. Ein Mitglied des Betroffenenbeirats berichtete, der Kardinal habe zwischenzeitlich über Rücktritt nachgedacht, sich dann aber entschieden, den Weg der Aufarbeitung weiterzugehen.
2022 reichte Woelki dann sein Rücktrittsgesuch bei Papst Franziskus ein. Franziskus reagierte jedoch nie, weder durch Annahme noch durch Ablehnung.