Die Überlegungen über Freiheit und Herzensreinheit setzt Johannes Paul II. in der Katechese vom 14. Januar 1981 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 81/4) fort. Die „ethische Dimension der Gegenüberstellung von Leib und Geist“ wird tiefgehend erläutert. Die „anthropologischen Wurzeln des Ethos im Evangelium“ sind auf das Liebesgebot bezogen. Das „neue Ethos des Evangeliums“ sei ein „Appell an die menschliche Freiheit, ein Appell zu ihrer vollen Verwirklichung und gewissermaßen zur vollen Nutzung der Anlagen des menschlichen Geistes“.

Paulus ordnet ethisch und theologisch die Freiheit der Liebe unter: „So verstanden bedeutet die Berufung zur Freiheit (‚Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder‘, Gal 5,13): dem Ethos, in dem sich das Leben ‚nach dem Geist‘ verwirklicht, Gestalt zu geben.“ Zugleich warnt Paulus vor einem Missbrauch der Freiheit: „Es kommt zum Gegensatz und in gewisser Weise zum Widerspruch eines solchen Gebrauchs der Freiheit, wenn sie für den Menschen zum Vorwand für ein Leben ‚nach dem Fleisch‘ wird. Die Freiheit wird dann zu einer Quelle von Werken und eines Lebens ‚nach dem Fleisch‘. Sie ist nicht mehr die wahre Freiheit, zu der ‚uns Christus befreit hat‘, und wird zu einem Vorwand für das ‚Fleisch‘, zur Quelle (bzw. zum Werkzeug) einer besonderen Unterjochung durch Hochmut, Augenlust und Fleischeslust.“

Wer so lebt, der ist auch nicht länger zur „wahren Selbsthingabe“ fähig, ebenso wenig zur Hingabe in Liebe, wie sie im Zusammenhang mit der „ehelichen Verbindung der beiden Geschlechter steht“. Johannes Paul II. deutet die paulinische Theologie als „echten Widerhall der Bergpredigt“: „Vor allem erlaubt sie uns, diese Reinheit des Herzens mit der Liebe zu verbinden, in der ‚das ganze Gesetz seine Erfüllung findet‘. Ähnlich wie Christus kennt Paulus eine zweifache Bedeutung der ‚Reinheit‘ (bzw. der ‚Unreinheit‘): einen allgemeinen und einen besonderen Sinn. Im ersten Fall ist alles ‚rein‘, was sittlich gut ist, ‚unrein‘ hingegen alles, was sittlich schlecht ist.“

Das moralisch Schlechte zählt der Apostel zu den „Werken des Fleisches“. Er erinnert an die Berufung des Christen zur Heiligkeit, und dies bereits im Brief an die Thessalonicher: „Wir lesen dort: ‚Das ist es, was Gott will: eure Heiligung. Das bedeutet, dass ihr die Unzucht meidet, dass jeder von euch lernt, mit seiner Frau in heiliger und achtungsvoller Weise zu verkehren, nicht in leidenschaftlicher Begierde wie die Heiden, die Gott nicht kennen‘ (1 Thess 4,3–5).“ Die Berufung des Christen besteht in einem Leben in der Heiligkeit, und die „Reinheit“ steht maßgeblich mit der „‚Heiligung‘ des Menschen“ in Verbindung.

Diese Überlegungen, den Gedanken der Reinheit und Heiligung, führt Johannes Paul II. in der Katechese vom 28. Januar 1981 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 81/6) weiter aus: „Die Reinheit, von der Paulus im 1. Thessalonicherbrief spricht (4,3–5.7–8), äußert sich darin, dass der Mensch ‚seinen Leib in heiliger und ehrbarer Weise bewahrt, nicht in leidenschaftlicher Begierde‘.“ Reinheit sei eine „Haltung“, darum eine Tugend: „Es handelt sich hier um eine praktische Fähigkeit, die den Menschen in die Lage versetzt, in einer bestimmten Weise und nicht entgegengesetzt zu handeln. Um eine solche Fähigkeit oder Haltung auszuprägen, muss die Reinheit offensichtlich im Willen, im Fundament des bewussten Wollens und Handelns des Menschen gründen.“

Die „Tugend der Reinheit“ besteht in der Beherrschung und Überwindung der Begierde. Zum „Wesen der Reinheit“ gehöre nach Paulus notwendig die „Tugend der Mäßigung“, um die sinnliche Begierde zu beherrschen, wie der Apostel den Thessalonichern schreibt: „Die Aufgabe der Reinheit, die der Verfasser des Briefes vor allem hervorzuheben scheint, ist nicht nur (und nicht so sehr) die Enthaltsamkeit von der ‚Unreinheit‘ und von dem, was zu ihr hinführt, also das Sich-Enthalten von ‚leidenschaftlichen Begierden‘, sondern ebenso das Bewahren des eigenen Leibes und, indirekt, des Leibes des anderen ‚in Heiligkeit und Ehrbarkeit‘.“

Die „Bewahrung des Leibes“ erfordert die Überwindung dessen, was der Mensch als Neigung, Reiz und Wert erlebt, und was sich auch affektiv und emotional auf den Menschen auswirkt. Johannes Paul II. erläutert: „Die Achtung, die im Menschen all dem gegenüber entsteht, was an ihm wie an jedem anderen Menschen, ob Mann oder Frau, körperlich und geschlechtsbezogen ist, erweist sich als die wesentlichste Kraft zur Bewahrung des Leibes ‚in Heiligkeit‘. Um die paulinische Lehre von der Reinheit zu verstehen, muss man tief in die Bedeutung des Begriffes ‚Achtung‘ eindringen, die hier selbstverständlich als geistliche Kraft verstanden wird. Diese innere Kraft ist es denn auch, die der Reinheit als Tugend, das heißt als volle Fähigkeit des Verhaltens in dem ganzen Bereich Ausdruck verleiht, in dem der Mensch in seinem Inneren die vielfältigen Impulse der leidenschaftlichen Begierde erfährt und ihnen aus verschiedenen Gründen bisweilen unterliegt. Paulus möchte die „richtige Auffassung vom menschlichen Leib lehren“.

Dies zeigt auch die Leibfreundlichkeit der christlichen Theologie und der Morallehre überhaupt: „‚Ein jeder bewahre seinen Leib in Heiligkeit und Ehrbarkeit‘ (1 Thess 4,4). Das ist ein wichtiger, vielleicht der wesentliche Grundgedanke der Lehre des hl. Paulus von der Reinheit.“

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